Die Rückkehr – und das Schweigen danach

Im September 2024 hing die Kirana wieder am Kran in Pomer. Ein Moment, auf den wir so lange hingearbeitet hatten. Zwei Jahre voller Reparaturen, Sorgen, Zweifel – aber auch voller Hoffnung. Und da war sie nun: bereit, wieder Wasser unter dem Kiel zu spüren. Bereit, wieder unser Zuhause zu sein.

Ich war in dieser Zeit allein mit B’Elanna in Pomer. Sheila war in der Schweiz – administrativer Verpflichtungen wegen – und konnte nicht dabei sein. So wurden die letzten Handgriffe an der Kirana zu einer sehr persönlichen Reise. Ich, der Hund, das Schiff – und die unzähligen Erinnerungen, die sich bei jedem Schraubenklang, jedem neuen Handgriff wieder meldeten.

Der Rückmarsch unter Maschine zurück nach Krk war leise. Keine große Überfahrt, keine Crew, kein Wind im Segel. Nur wir, die Wellen, und das Gefühl von „endlich heimkommen“.

Zurück in Krk lag sie wieder im Hafen. Zuhause. Und an diesem Tag sahen wir auch sie – eine unserer engsten Freundinnen – zum letzten Mal. Eine Bekannte, die wir kannten noch bevor wir überhaupt nach Kroatien kamen. Noch bevor wir überhaupt an dieses Leben hier dachten.

Sie war immer bescheiden. Eine Frau mit Geschichte. Mutter einer erwachsenen Tochter. Und tagtäglich für ihren alten Vater da. Sie kochte für ihn, wusch seine Wäsche, lebte bei ihm – nicht, weil es von ihr verlangt wurde, sondern weil es für sie selbstverständlich war. Pflege, Hingabe, Geduld. Ein Pflichtgefühl, das uns tief beeindruckte. In einer Zeit, in der so viele Alte einsam im Heim versauern, lebte sie dieses „Dasein für einen anderen Menschen“ in einer fast vergessenen Selbstverständlichkeit.

Unzählige Male sagten wir: „Komm mit uns, mach einen Törn. Zwei Wochen Kirana. Dubrovnik i natrag.“ Und sie? Lächelte. Sagte: „Wenn mein Vater mal nicht mehr ist… dann gerne.“ Es wäre für sie unvorstellbar gewesen, ihn tagelang allein zu lassen. Dieser Mann, über 90 Jahre alt, war ihr Lebensmittelpunkt – nicht aus Pflicht, sondern aus Liebe.

Sie hatte sich in letzter Zeit oft unwohl gefühlt, man suchte noch nach harmlosen Erklärungen. Doch dann kam die Krebsdiagnose – und mit ihr die Wucht, die alles veränderte.

Wir haben sie in dieser Zeit nicht oft gesehen. Nicht, weil wir nicht wollten. Sondern, weil wir wussten, was sie brauchte: Würde. Ruhe. Zeit mit den Allerengsten. Und vielleicht ein wenig Hoffnung auf ein späteres Wiedersehen. Ein später, das nie kam.

Ende Februar, die Beisetzung in Krk. Die Sonne schien. Der Himmel war klar – wohl der sonnigste Tag im Februar. Und dennoch lastete Stille über allem. So viele Menschen kamen, mehr als man es je erwarten würde. Sie alle hatten ihre Erinnerungen, ihre Trauer, ihre Worte des Abschieds. Ihr Vater – ein alter, guter, stiller Mann – stand da, nun allein. Und in diesem Moment brach etwas in uns. Über Jahre war er umsorgt worden, mit einer Fürsorge und Hingabe, die ihresgleichen sucht. Man wusste, wie sehr sie für ihn da war – täglich, aufopfernd, still. Und nun stand er da, der Verlust geschrieben in seine Schultern. Wie viel mehr kann ein Herz aushalten, wenn das Zentrum der vertrauten Welt so plötzlich fehlt? Und Danči… stark, aber gezeichnet.

Seit dem Herbst war es ruhig um uns. Kein Blog. Kein Facebook. Nicht, weil wir nichts mehr erlebten. Sondern, weil das Leben selbst schwerer wog als Worte. Weil wir mit dem Schock lebten. Mit der neuen Stille. Mit der Lücke, die nicht nur in der Freundesrunde klafft, sondern auch tief in uns.

Doch jetzt… jetzt kommt der Frühling. Nicht nur meteorologisch. Auch innerlich. Die Sonne wärmt. Der Wind riecht nach Neubeginn. Und gleichzeitig ist da noch dieser Kloß im Hals. Die Tatsache, dass sie nicht mehr da ist. Dass wir nie mehr zusammen Kaffee trinken. Nie mehr gemeinsam ans Wasser sitzen. Dass ihre Geschichte vorbei ist – zumindest hier.

Vielleicht ist dieser Text hier mehr als nur ein Nachtrag. Vielleicht ist er der erste Atemzug nach einem langen Innehalten. Ein vorsichtiges „Wir sind wieder da“, mit brüchiger Stimme. Nicht laut. Nicht stark. Aber ehrlich.

Die Kirana liegt in Krk. Mit neuen Spuren am Rumpf – die Fender hatte es im Winter vom Pier gerissen, sie wurde an beiden Seiten verkratzt. Nur im Gelcoat. Nichts Dramatisches. Aber sichtbar. Wie Narben. Wie Zeichen, dass auch sie lebt, getragen hat, durchgehalten hat.

Der Bugkorb fehlt noch. Aber bald… bald ist wieder Kirana-Zeit.

Und vielleicht ist das… genug für den Moment.

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